Schieferbergbaugeschichte
Der Tod stand ständig neben ihnen
von: Werner Schumacher
In den Schieferbergbauorten Müllenbach, Laubach und Leienkaul arbeiteten im 19. Jahrhundert ungefähr 5/6 der männlichen Bevölkerung im Schieferbergbau. Für einen Tagelohn von höchstens -,80 Pfennig (Mitte des 19. Jahrhunderts), der sich bis Ende des Jahrhunderts auf 2,-- bis 2,50 Mark erhöht hatte, mit dem sie kaum ihre, meist zahlreiche, Familie ernähren konnten setzten sie täglich ihr Leben aufs Spiel. Täglich sah man die "Koulemänner" morgens mit ihrem blauleinenen "Brustsäckelchen" mit selbstgebackenem Schwarzbrot, Mehl- oder Kartoffelpfannkuchen und etwas gesalzener Butter gefüllt und der "Kaffebull" an der Seite, den derben Knutzenstock in der Faust und das unvermeidliche "Mötzchen", (eine kurze Holz- oder irdene Pfeife) im Mund auf die "Kaulen" ziehen um bis abends, bei anstrengendster Arbeit im Bergwerk zu arbeiten |
Nach getaner Arbeit in den Gruben halfen sie dann abends noch ihrer Frau und den Kindern bei der Feldarbeit, denn die meisten Schieferbrecher hatten noch weniges Ackerland, da sie allein vom Lohn im Bergwerk ihre Familie nicht ernähren konnten.
Zwar hatte sich das Leben im Schieferbergbau nach Einführung der Tiefschächte zum Besseren geändert. Früher stieg man auf in den Felsen eingehauene Stufen in die Erde, lud dort eine schwere Last von Steinen auf den Buckel und schleppte diese, auf dem Rücken gelegt, auf Händen und Füßen die Treppen hinauf ans Tageslicht, oft auch über Dielen welche die Abgründe überbrückten. Jeder spaltete die hervorgebrachten Steine selbst, waren sie gut, verdiente man etwas, waren sie nicht gut, kam es vor, dass der Bergmann 5 bis 6 mal am Tage in die Grube einstieg und jedes Mal mit einer Last von drei bis fünf Zentnern auf dem Rücken herausgearbeitet hatte und am Abend hatte er nicht einmal eine Mark verdient.
Und der Berg verlangte seinen Tribut, nicht nur dass die oft unterernährten Männer bei der Schwerstarbeit kränklich waren und früh starben, auch nicht die vielen kleineren Unfälle und auch nicht die gefürchtete "Silikose", die Staublunge waren ihre täglichen Probleme, nein, neben den Männern stand während ihrer Arbeit im Berg ständig der Tod durch Unglücke.
Statistiken des 19. Jahrhunderts berichten von einer durchschnittlichen Sterberate in den Schieferbergwerken durch Unfälle von 1 Mann pro Jahr.
In den Sterbebüchern von Müllenbach und Masburg, war es durchaus nicht üblich, dass der beurkundende Pastor auch die Todesursache angab, aber verschiedentlich kann man in diesen Sterbebüchern vom Tod im Schieferbergwerk lesen. Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass folgende Bergbautote nur einen Bruchteil der durch Unglücksfälle im Bergwerk umgekommenen Männer darstellen:
In den Schiefergruben von Müllenbach, Laubach, Leienkaul und Masburg fanden lt. Sterbebücher der Pfarrgemeinden durch Unfälle den Tod:
Miesen, Nikolaus aus Müllenbach starb durch einen Felssturz im Bergwerk; er war vermtl. wenig über 20 Jahre alt.
19.02.1729 Wagner, Michael aus Eppenberg starb durch Steinschlag im Dachschieferbergwerk; er war verheiratet und Vater von sechs Kleinkindern und die Ehefrau Anna wieder schwanger. Die Ehefrau starb 1732 es hinterblieben sieben Kinder, das älteste 14 und das jüngste 3 Jahre alt.
16.10.1732 Kolbert, Nikolaus aus Laubach wurde durch Steinschlag in der Schiefergrube getötet
06.03.1819 Lefev Georg Wilhelm aus Leienkaul starb "jämmerlich durch Steinschlag" im Schieferbergwerk, er war Ehemann von Gertrud Welter und Vater von vier Kleinkindern
04.09.1823 Arenz Johann aus Müllenbach, 41 Jahre alt, Ehemann von Anna Maria Wilhelmi, Vater von drei unmündigen Kindern, starb durch einen Steinschlag in der Schiefergrube zusammen mit seinem Gehilfen Johann Ostermann aus Eppenberg.
04.09.1823 Ostermann Johann aus Eppenberg, wurde zusammen mit Johann Arenz aus Müllenbach vom Steinschlag in der Schiefergrube getötet
08.01.1825 Bantes Johann aus Müllenbach, Ehemann von Anna Christina Exius und Vater einer 2 Monate alten Tochter starb durch einen Steinschlag in einer Schiefergrube
1825 starb Arenz (Arentz) Johann beim Einsturz der Grube "Hoheley", seine Leiche konnte nicht geborgen werden. Die eingestürzte Grube wurde nicht mehr bearbeitet.
13.03.1829 Fischer Matthias, aus Müllenbach, Ehemann von Anna Margaretha Krämer, Vater von 2 Kleinstkindern und eines noch nicht geborenen Kindes starb durch Unglück im Schieferbergwerk
03.03.1829 Gerhards Peter Josef aus Müllenbach, 35 Jahre alt, Ehemann von Anna Sophia Schmitz und Vater eines minderjährigen Kindes starb durch Steinschlag im Bergwerk.
15.08.1839 Hölzer Urban aus Müllenbach, 36 Jahre alt, Ehemann von Maria Elisabeth Welter, starb durch Steinschlag in der Schiefergrube und hinterließ drei Kleinkinder und eine schwangere Frau
27.05.1846 Both Nikolaus aus Masburg, 32 Jahre alt, Ehemann von Anna Gertrud Wolf, starb bei einem Unglück in der Grube des Anton Walgenbach aus Leienkaul (siehe besonderen Bericht)
22.02.1853 wurde Welling Johann Josef aus Müllenbach, durch einen Steinschlag im Bergwerk getötet.
09.03.1853 Auf der Grube "Olligskaul I" bei Laubach wurden zahlreiche Bergleute verschüttet. Der Grubeneingang brach zusammen und 16 Bergleute waren 16-18 Stunden unter Tage eingeschlossen. Glücklicherweise wurde aber keiner verletzt oder gar getötet. Bemerkenswert ist, dass der zuständige Revierbeamte erst Wochen nach dem Unglück Kenntnis davon erhielt.
12.03.1854 Allard Nikolaus starb 22 jährig bei einem Grubenunglück
08.04.1854 Kronz Anton aus Laubach, ca. 44 Jahre alt, verheiratet mit Maria Elisabeth Steffes-mies und Vater von 9 Kindern, von denen aber bereits fünf im Kindesalter verstorben waren, starb plötzlich in einer Schiefergrube bei Kaisersesch
1857 Valerius Matthias, 20 Jahre alt, zerschmettert in einer Grube gefunden
05.09.1860 Köhn Reinhard aus Müllenbach verunglückte im Alter von 47 Jahren tödlich im Bergwerk durch Steinschlag, er war der Ehemann von Margarethe Scheid aus Gillenbeuren und Vater von 8 Kindern, von denen 6 bei seinem Tode noch lebten
23.09.1865 Steffes-enn, Nikolaus aus Müllenbach, 30 Jahre alt, Ehemann von Anna Barbara Bourgeois (Buschwa) und Vater eines Kleinstkindes verunglückte tödlich in der Schiefergrube
10.07.1875 Gilles Peter aus Müllenbach, 45 Jahre alt, Ehemann von Anna Katharina und Vater von vier unmündigen Kindern verunglückte in der Grube "Heidenloch" tödlich
10.10.1875 Wölwer Hubert II aus Masburg, 47 Jahre alt, Ehemann von Maria Münch verunglückte tödlich in einer Schiefergrube. Er war Vater von sechs Kindern, von denen allerdings schon vier vorverstorben waren
28.10.1876 Lehnen Peter aus Müllenbach, 22 Jahre alt, der nach seiner Heirat mit Barbara Scheid nach Masburg verzogen war und Vater von 3 Kleinkindern war verunglückte tödlich in der Schiefergrube "Heidenloch"
06.08.1885 Regnier Theodor aus Laubach, verunglückte auf der Grube "Maria Schacht" tödlich. Er hinterließ seine Frau Maria Katharina Irmen und 5 Kinder
14.02.1889 Klasen Nikolaus aus Masburg, 36 Jahre alt, Ehemann von Anna Maria Weirich, Vater von 7 unmündigen Kindern starb durch Unglück in einer Schiefergrube.
11.11.1889 Theisen Anton aus Masburg, Ehemann von Anna Maria Hoffmann, Vater einer kleinen Tochter, er wurde in einer Schiefergrube verschüttet.
30.05.1892 Kreutz Josef aus Masburg, ungefähr 40 Jahre alt und verheiratet verunglückte tödlich in einer Schiefergrube
25.11.1892 Welter Johann aus Leienkaul/Breitenbruch, 28 Jahre alt, verunglückte auf der kleinen Grube "Flüsschen" auch "Grünewald" genannt, er war 26 Jahre alt. Ein schwerer Stein riss ihm Kopf und Leib auf, er war sofort tot.
20.12.1893 Gundert Matthias Josef aus Müllenbach, 30 Jahre alt, Ehemann von Anna Maria Reichard, Vater von zwei Kleinstkindern, verunglückte tödlich in der Schiefergrube "Colonia". Er wurde durch herab fallende Steine getötet
1893 Reichard(s) Stephan aus Müllenbach erblindete 40 jährig durch ein Unglück in der Schiefergrube und starb drei Jahre später
18.07.1894 Schopp, Johann Peter aus Leienkaul, 45 Jahre alt, verheiratet mit Elisabeth Knechtges aus Landkern und Vater von 4 Kindern verunglückte in der "Escher Kaul" tödlich. Ihm war ein schwerer Felsblock über den Leib gerutscht, so dass er an diesen Verletzungen verstarb.
07.08.1894 Verunglückten auf der Grube "Werresnick" Klinkner Peter aus Masburg und Miesen Hubert aus Laubach. Beide hatten in der Grube eine Sprengladung angesetzt, als diese aber nicht zündete, wollten sich Klinkner und Miesen den Grund des Versagens ansehen. Sie waren fast bis an die Ladung herangekommen, als diese dann verspätet zündete. Klinkner, der als erster ging, flogen die los gesprengten Steine gegen Brust und Kopf, dabei erlitt er so schwere Verletzungen, dass er verstarb ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben . Miesen erlitt einige Gesichtsverletzungen, konnte aber in einer Bonner Klinik wieder genesen. Klinkner war der Ehemann von Katharina Steffes und Vater von zwei Kleinkindern, er war 35 Jahre alt
1895, stürzte der Schieferhauer Mohr aus Laubach ebenfalls auf der Grube Werresnick ca. 80 Fuß Tief mit einem Korb und einem Wagen voller Steine ab. Fast ein Wunder war es, dass er nur geringfügige Beinverletzungen durch umherfliegende Steine erlitt. Ebenfalls im Jahr 1895 verunglückte auf der "Constantia" ein Mann aus Masburg tödlich.
03.07.1895 Schüller Josef aus Masburg, 32 Jahre alt, Ehemann von Anna Maria Härig starb bei einem Unfall im Schieferbergwerk. Er war Vater von zwei Kleinkindern
17.02.1896 Gorges Matthias aus Masburg-Schöne Aussicht, 34 Jahre alt und verheiratet mit Margarethe Steffes, Vater von drei Kleinkindern starb durch Unglück in einer Schiefergrube.
05.02.1897 Schneider Peter aus Müllenbach, 34 Jahre alt, Ehemann von Barbara Schopp und Vater von 5 Kleinstkindern verunglückte auf der Grube "Colonia" tödlich
05.01.1898 Gilles Matthias aus Müllenbach, 23 Jahre alt, starb durch einen Steinschlag in der Grube "Holzkaul"
1900 Schmitz Franz aus Müllenbach verunglückte 23 Jahre alt um 1900 in der Schiefergrube tödlich
1906 verunglückte der Schieferbrecher Lenzen aus Laubach tödlich auf der Grube "Maria Schacht".
1907 starb auf der Grube "Herrenwiese" ein Mann aus Müllenbach
1908 verunglückte der Jungmann Walgenbach Hubert aus Laubach auf der Grube "Colonia"
1909 verunglückte tödlich ebenfalls auf "Colonia" Klotz Matthias aus Müllenbach
1910 Gorges, Josef aus Laubach, geboren am 10.11.1892, starb durch einen Unfall im Bergwerk (er wurde zwischen 2 Loren gequetscht)
23.05.1910 Der unverheiratete Schieferbrecher Wollenweber aus Laubach wurde auf der Grube "Herrenwiese" durch einem Stein, der sich aus dem "hangenden" losgelöst hatte getroffen, stürzte und brach sich das Genick. Er war sofort tot.
27.08.1914 verunglückte auf der Grube "Constantia" Kronz Matthias Josef aus Laubach. Durch einen schweren Stein, der auf seinen Rücken fiel, erlitt er eine Lungenquetschung. Er wurde in die Klinik nach Bonn überführt. Das war schon sein 3. Unfall in einer Schiefergrube.
08.09.1914 Nur kurze Zeit nach dem Unfall auf "Constania" ereignete sich ein grauenhafter Unfall auf "Maria Schacht": nach der Mittagsschicht etwa gegen 14 Uhr verunglückte der Grubenaufseher Mohr Josef aus Laubach, ein Vater von 6 Kindern. Mohr fuhr mit vier anderen Bergleuten mit dem Förderkorb in den Schacht ein, von denen drei Personen aber auf der 3. Sohle den Förderkorb verließen. Mohr wollte mit dem anderen Bergmann Klasen aus Müllenbach in 4. Sohle herab fahren, als plötzlich der Korb stehen blieb. Klasen kroch auf Händen und Füßen aus dem Korb und konnte sich retten. Aber, da der Korb nun leichter geworden war, schleuderte er einige Meter in die Höhe, das Drahtseil riss und der Korb stürzte nun ungehindert in die Tiefe. Mohr wurde bei dem Aufprall zu einer unkenntlichen Masse zermalmt, so dass die Leichenteile nur noch zusammengelesen werden konnten.
04.02.1925 Auf der Grube "St. Barbara" verunglückte ein 23-jähriger Mann aus Masburg tödlich. Das Unglück geschah bei Sprengarbeiten.
12.04.1926 Zwei Schieferbrecher aus Leienkaul wurden auf der Grube "Colonia" von herabstürzendem Gestein im Abbau verschüttet. Einer von ihnen konnte gerettet werden, der andere war völlig zerquetscht.
27.05.1936 Berenz Heinrich aus Müllenbach, starb 36 jährig nach einem Grubenunglück
26.07.1949 Auf der Grube "Marienthal" wurde der 23jährige Bergmann Krämer aus Laubach verschüttet. Sofort war eine Rettungsmannschaft der benachbarten Grube "Maria Schacht" herbeigeeilt und konnte sich unter der Leitung des Steigers Gondermann bis dicht an den Verschütteten heranarbeiten. Die Rettungsmannschaft konnte mit ihm sprechen und der Pastor nahm ihm sogar die Beichte ab. Trotz anstrengendster Arbeit gelang es nicht, ihn lebend zu bergen. Die Beine des Verschütteten waren eingeklemmt und ständig rutschte Gestein nach.
10.01.1957 Zwei Bergleute, darunter Klasen Heinrich aus Laubach, gebürtig aus Leienkaul wurden auf der Grube "Mosella-Schacht" bei Mayen-Hausen unter einem 150 Zentner schweren Schieferfelsen begraben, der sich plötzlich aus dem Berg gelöst hatte. Beide Bergleute waren sofort tot. Die Bergleute vom "Maria Schacht" aus Leienkaul hielten in Bergmannsuniform die Ehrenwache am Grabe des verstorbenen Klasen.