Geschichte der Umgebung

Seelsorgstreit um Hochpochten

 Von Werner Schumacher, Kaisersesch

Das Waldgebiet Hochpochten, ursprünglich ca. 1.070 Hektar groß, war im Besitz der "Adeligen Erben - Märker - von Polch". Die Waldnutzungen (Bau- und Brennholz, Waldweide, Gras, Ecker für Schweinemast und zur Ölgewinnung usw.), soweit sie nicht von den Adeligen Erben selbst benötigt wurden, war an die angrenzenden Dorfgemeinschaften, das waren im Westen Ulmen, Auderath und Alflen und im Osten Eppenberg, Laubach und Müllenbach verlehnt.

 

Im Laufe der Jahrhunderte gab es zwischen diesen Orten immer wieder Auseinandersetzungen, die nicht selten handgreiflich und oft auch vor den Gerichten ausgetragen wurden. Dazu kamen Differenzen zwischen einzelnen Orten als Lehensnehmer und den Adeligen Erben als Lehensgeber, die ebenfalls den Kurfürsten und seine Gerichte beschäftigten.

Als im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts die Adeligen Erben in Hochpochten Land an Hofleute und Müller verlehnten, die sich dort fest ansiedelten, entbrannte auch der Streit der Seelsorger um die Zuständigkeit in Hochpochten.

Um es gleich vorweg zu sagen, die Gründe für diese Auseinandersetzungen lagen nicht in erster Linie bei der Seelsorge, vielmehr bei den damit verbundenen Anteilen der Pfarrer an den Zehnteinnahmen.

Der Müller Fischer, der sich 1691 als erster Hofmann in Hochpochten angesiedelt hatte, scheint zunächst bei seiner alten Pfarrkirche in Alflen verblieben zu sein. Als sich mehrere Müllenbacher in Hochpochten (Pützfelder Höfe) anbauten, bestimmte der Kurfürst am 8. Dezember 1704 den Curaten von Müllenbach zum Seelsorger für die Hochpochtener Hofleute.

Der Pastor von Ulmen widersetzte sich dieser Anordnung und behauptete Hochpochten liege in der Gemarkung Ulmen. Er erwirkte am 20. Nov. 1705 beim General-Vikariat zu Köln ein Dekret, nachdem die Hochpochtener zur Kirche Ulmen gehörten und gegen diese auch ihre Pflichten, gleich allen anderen Pfarrgenossen zu erfüllen hätten. Dies aber stieß auf den entschiedenen Widerstand der Hofleute, weil sich der Ulmener Pastor bisher nicht um sie gekümmert hätte und ihnen vom Erzbischof der Vikar-Curat von Müllenbach als Pfarrer bestimmt worden sei. Um was es dem Pastor von Ulmen aber in Wirklichkeit ging, nämlich um die Siedlung "Reyerstroth", das heutige Vorpochten, und Zehnteinnahmen aus diesem Bezirk, enthüllt seine nächste Beschwerde. Er richtet diese an den Dechanten von Hillesheim und beklagt sich, daß ihm die Ulmener den Zehnt aus Vorpochten verweigerten. Man begründete diese Zehntverweigerung damit, daß Hochpochten wegen seiner Grundeigentümer, den Adeligen Erben, "freiadelig" und damit nicht zehntpflichtig sei. Es scheint allerdings, als ob dem Vikar von Müllenbach der Zehnt aus Hochpochten gezahlt wurde. Die Höfer wurden in ihrer Meinung von den Adeligen Erben unterstützt und das Urteil des kurfürstlichen Hofgerichtes von 1710 lautete ebenfalls zugunsten der Hofleute. Trotz dieser Entscheidung erschien der Ulmener Kellner (etwa Kassenverwalter, Finanz- und Vollstreckungsbeamter) im Auftrag der Ulmener Zehntherren, mit bewaffneter Mannschaft in Vorpochten und nahm den Zehnt gewaltsam, in dem er den Höfern die Fruchtgarben entriß. Bei dieser Aktion beteiligte sich der Pastor von Ulmen und nahm sich "seine" Fruchtgarben ebenfalls mit Gewalt.

In einem Bericht des Pastors von Alflen von 1715 heißt es bezüglich der Pfarrzugehörigkeit und der damit verbunden Zehntpflicht, daß die Seelsorge eines Teils der Hofleute von Hochpochten dem Curaten von Müllenbach abgenommen und auf ihn übertragen worden sei. Im Gegensatz dazu bestimmte die kurfürstlich-trierische Kammer, daß der Kellner von Ulmen, den zehnten Teil der in Hochpochten gezogenen Früchte, wenn nötig, mit Gewalt eintreiben solle.

1716 und 1718 wurden die Hofleute durch Erzbischöfliche Verordnung dem Curaten von Müllenbach zugeteilt und die Befolgung dieser Anordnung unter Androhung des Verlustes der Lehnung durch die Adeligen Erben befohlen. 1721 wurden jedoch die Hofleute Joh. Math. Fischer und H. P. Fischer dem Pastor von Alflen zurückgegeben. 1725 erging dann eine erneute Anweisung der Adeligen Erben, die auf Ansinnen des Curaten von Müllenbach sämtliche Hofleute der Pfarrei Müllenbach zuordnete. 1726 erreichte der Pastor von Alflen eine "sententia" (Urteil) nach der der Pastor von Müllenbach dem Alfler Pastor den bereits erhaltenen Zehnt erstatten mußte. Beide Pastöre bemühten jetzt die Nuntiatur in Köln, wo am 24. Sept. 1732 entschieden wurde, daß der Vikar von Müllenbach die Seelsorge behielt und der Pastor von Alflen die Kosten bezahlen mußte. 1734 erreichte der Pastor von Alflen beim Kurfürsten eine Verfügung, die dem Vicar von Müllenbach unter Androhung der Suspendierung die Seelsorge verbot. Jetzt wandte der Müllenbacher Vikar sich wieder an die Nuntiatur, die dem Pastor von Alflen unter Androhung des Exkommunikation die weitere Belästigung des Müllenbachers verbot.
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Die Kirche von Muellenbach
Im übrigen scheinen sich die Hofleute der Zehntzahlung an ihren Seelsorger nach Möglichkeit entzogen zu haben, so daß auf Betreiben des Müllenbacher Curaten im Juni 1743 die ganze Gemeinde Müllenbach "mit vorhergehendem Glockenschall von dasigem Bürgermeister angetrieben" in Hochpochten einfiel und dem Hofmann Diedrich Alflen 21 Garben Korn mit Gewalt vom Karren raubten.

Man versuchte sich aber zu einigen und die Hofleute schlossen am 1. Okt. 1743 mit dem Curaten einen Vertrag, nach dem der "Vicarius curatus" in Müllenbach für 18 Malter, halb Korn, halb Hafer, die Seelsorge in Hochpochten versehen sollte; 1746 wurde noch eine zusätzliche Zahlung von 10 Rtlr. jährlich vereinbart.

Nach der Auflösung von 5 Höfen 1769 weigerten sich die verbliebenen Hofleute dem neuen Vikar Bartholomäus Gilles (1769-86 in Müllenbach; er war auch in Müllenbach geboren) den Zehnt in der bisherigen Höhe zu zahlen. Gilles, wohl ein recht eigenwilliger Mann, dem nichts menschliches fremd war, (der Oberförster hatte ihn z.B. zusammen mit anderen Müllenbachern beim Holzdiebstahl erwischt, wobei er sich fast zu Tätlichkeiten hinreißen ließ und als der Oberförster die für den Holzfrevel zu zahlenden 5 Kopfstücke kassieren wollte, nannte ihn Gilles einen Hundspfott und Scheißkerl) ließ die Höfer gewaltsam pfänden, wobei es ebenfalls wieder zu Tätlichkeiten kam.

Scheinbar fruchteten auch die Pfändungen nicht, denn anschließend wollte der Vikar die Adeligen Erben in ihrer Eigenschaft als Grundbesitzer zwingen lassen seine Forderungen zu zahlen. Die Adeligen Erben erklärten, daß Hochpochten nie zur Pfarrei Masburg, deren Filiale Müllenbach ja sei, gehört hätten. Der Vertrag zwischen den Hofleuten und dem Pastor, von 1743 sei privater Natur. Den ersten, deshalb geführten Prozeß verloren die Adeligen Erben, in der Berufung wurden die Hofleute - privat - zur Zahlung gemäß den Verträgen von 1743 und 1746 an den Vikar verurteilt, die Adeligen Erben aber von jeder Zahlungspflicht entbunden.

Die Hofleute und Müller von Hochpochten fühlten sich nun als Pfarrangehörige von Müllenbach. Sie gingen dorthin in die Kirche, machten Legate an sie und wurden dort beerdigt. 1747 erhielten sie sogar eigene Pfarrbücher.

1831 beantragte der Förster Kick, Hochpochten offiziell in die Pfarrgemeinde Müllenbach einzugliedern. Während Pfarrer Steffes in Müllenbach die Eingliederung begrüßte, lehnte der Ulmener Pfarrer Burkard strikt ab. Nachdem die königlicher Regierung keine Einwände hatte, sprach der Bischof am 9.10.1832 die Genehmigung zur Einpfarrung der Hochpochtener nach Müllenbach aus.

Nach dem Beschluß des Gemeinderates von Müllenbach vom 10. Nov. 1851 hatten die Hofleute in Hochpochten sich am Kirchenneubau in Müllenbach zu beteiligen. Sie versuchten sich dieser Belastung zu entziehen und erreichten über die königliche Regierung am 4. Aug. 1857 einen Erlaß, nachdem die Einpfarrung besagter Höfe zur Pfarrei Müllenbach als nicht geschehen zu betrachten sei. Die bischöfliche Behörde in Trier wurde aber nicht tätig, auch nicht nachdem sich der Landrat 1860 in die Angelegenheit eingeschaltet hatte. Erst 1893 erklärt der Bischof, daß die Bewohner der Hochpochtener Höfe zur Pfarrei Ulmen gehören, dort ihre kirchlichen Pflichten zu erfüllen haben und der dortige Pastor allein zuständig sei. Die Bischöfliche Behörde begründet dies damit, daß die königliche Regierung im Jahre 1832 keine Invollzugsetzung ausgesprochen habe.

Zur Einwohnerzahl auf den Höfen und Mühlen in Hochpochten werden folgende Angaben gemacht:
1708 = 8 Familien
1769 = 94 Seelen
1769 = 37 Seelen (nach der Höfeauflösung)
1853 = 29 Seelen

Quellen:
Wiedemann, Hermann: "Der Adelige-Erben-Dingtag zu Polch und seine Waldungen"
Schug, Peter: Geschichte der Dekanate Bassenheim, Kaisersesch, Kobern und Münstermaifeld
Peters, Heinz u. Rolf: "140 Jahre Pfarrkirche Müllenbach"


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